Freitag, 22. Oktober 2010

Ein gelungener Start

„Wie jedes Jahr wurde ich eingeladen, hier eine Rede zu halten. Ich habe eine geschrieben, ich habe sie mit, ich werde Ihnen die Verlesung derselben ersparen. Sie wollen ja einen Film sehen. Falls es Sie interessiert, Sie können sie nachlesen. Die Homepage ist www.pipifaxressort.at.“

Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) eröffnet die Viennale betont lässig,wechselt aber bald zu einem ernsteren Ton, der den weiteren Abend bestimmen soll:  „Die aus meiner Sicht derzeit notwendigen politischen Feststellungen lassen sich auf drei Sätze reduzieren. Erstens: Vor kurzem sind die zwei abgeschobenen, achtjährigen Mädchen wieder nach Österreich gekommen. Angesichts dieses humanitären Desasters und der unüberbietbaren Peinlichkeit stünde es der Kulturnation Österreich gut an, endlich ein den Bedürfnissen der Menschen angepasstes Asyl- und Aufenthaltsrecht zu formulieren. Zweitens: Angesichts der traurigen Zustände an den Universitäten unseres Landes wäre es hoch an der Zeit für eine angemessene Finanzierung zu sorgen und nicht dauernd über neue Zugangsbeschränkungen nachzudenken. Und drittens: 25 % für Strache in Wien sind nicht Anlass für Stockstarre, sondern Auftrag, eine Allianz all jener zu schmieden, die selbstbewusst und offensiv hinausgehen und den Strache-Wählern ihre Wut und ihre Ängste nehmen.“

Braver Applaus im Publikum.

Viennale-Präsident Eric Pleskow legt als nächster Redner nach …






Pleskow schließt mit den Worten: „Ich habe absichtlich Frau Fekter, die Ministerin ohne Verantwortung, nicht erwähnt, denn ich habe Angst, dass sie mich abschieben wird und mich nie wieder zurücklassen kann.“

Dann betritt Festival-Direktor Hans Hurch die Bühne. Auch er nimmt Bezug aufs tagespolitische Geschehen…





Nach seiner Rede bittet Hurch einen besonderen Ehrengast auf die Bühne: Apichatpong Weerasethakul, Gewinner der Goldenen Palme von Cannes und Regisseur des V’10-Trailers „Empire“. Weerasethakul  - dessen Film  „Loong Boonmee raleuk chat“ beim Festival gezeigt wird - bedankt sich für die herzliche Begrüßung und erzählt von seiner Arbeit am Viennale-Trailer…



Bevor der Eröffnungsfilm, Xavier Beauvois‘ „Des dieux et des hommes“ (dt: „Von Göttern und Menschen“), beginnt, gibt es einen weiteren Gast: Schauspieler Xavier Maly, dem es im Gegensatz zu seinem ebenfalls angekündigten Kollegen Jean-Marie Frin gelungen ist, trotz des französischen Bahnstreiks, anzureisen. Maly erzählt kurz von der Arbeit an „Des dieux et des hommes“, vom ungewöhnlichen Casting-Prozess und von den Emotionen, die ihn und die andern Darsteller beim Betrachten des fertigen Films überwältigten.

Xavier Maly mit Barbara Rett, die die Eröffnung moderierte.


Dann geht das Licht aus, und die Viennale 2010 beginnt…

Mein Ticket für den Eröffnungsfilm "Des hommes et des Dieux".


Des dieux et des hommes“ erzählt die wahre Geschichte acht französischer Mönche, die Ende der 90er Jahre in einem Kloster in Algerien in friedlicher Gemeinschaft mit einer muslimischen Dorfgemeinde wohnen. Als es in der Nähe zu Anschlägen islamistischer Fundamentalisten kommt, wächst die Bedrohung für das Dorf und das Kloster. Die Mönche geraten in einen Glaubens- und Gewissenskonflikt: Soll man fliehen und die Bewohner des Dorfes auf sich allein gestellt zurücklassen? Oder ist es besser, auszuharren und den Tod zu riskieren? 



So unaufgeregt und schnörkellos, wie das im Film gezeigte klösterliche Leben, behandelt Regisseur Beauvois das Dilemma der Mönche. Die Einstellungen verharren in Nahaufnahmen auf den sorgenerfüllten Gesichtern der Protagonisten, als Soundtrack fungieren ihre Gebetsgesänge. Dabei ist „Des dieux et des hommes“ kein Film über Religionen, sondern ein allgemeingültiges Plädoyer für Toleranz, Nächstenliebe und Zivilcourage. So schließt sich der Kreis zur Tagespolitik. Ein passender Film zur richtigen Zeit in Wien. Ein gelungener Start für die 48. Ausgabe der Viennale.

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