Samstag, 23. Oktober 2010

Schlechtes Wetter, Affen-Geister und ein großer dunkler Fremder

Portland, Oregon scheint eine recht trostlose Gegend zu sein: Wenn man nicht gerade in der Eis-Fabrik oder im schnöden Büro arbeitet, spaziert man am verregneten Strand entlang oder schmeißt Weintrauben von Dächern und schaut ihnen beim Zerplatzen auf dem Asphalt zu. So machen das jedenfalls die Protagonisten in Aaron Katz' "Cold Weather". Der Film erzählt die Geschichte von Doug, einem verhinderten Sherlock Holmes, der sein Forensikstudium abbricht und zu seiner Schwester Gail ins besagte Portland zieht. Dort trifft er seine Ex-Freundin Rachel wieder, die bald darauf spurlos verschwindet. Gemeinsam mit Gail und einem Arbeitskollegen macht sich Doug auf die Suche nach ihr.





In "Cold Weather" steht die Cinematographie vor den Charakteren und die Charaktere vor der Handlung. Oft scheint es, als laufen die Protagonisten zufällig durchs Bild, während die Kamera eigentlich auf die nass-kalten Landschaften oder die dicken Regentropfen an den Fensterscheiben dahinter gerichtet ist. Fast schon naturalistisch mutet die Erzähltechnik an, als im zweiten Drittel eine etwas konstruierte, aber unterhaltsame Detektivgeschichte anhebt. Aus der Vermengung von Realismus und Mystery-Puzzle entsteht Komik: Wenn Doug sich bei seinen Ermittlungen mit Gail darum zankt, wer im Auto hinterm Lenkrad sitzen darf, erinnert das ein bisschen an eine weniger geschwätzige Version von Woody Allens "Manhattan Murder Mystery". Doch Katz lässt das Detektivspiel nie die Überhand gewinnen und behält stets die etwas verquere, aber liebevolle Beziehung des Geschwisterpaars im Fokus. Ein orgineller und kurzweiliger Film mit einem etwas antiklimatischen Ende.

Alles andere als kurzweilig ist "Loong Boonmee raleuk chat", den Viennale-Direktor Hans Hurch als einen der "wichtigsten Filme der letzten Monate, vielleicht sogar Jahre" ankündigt. Nach einem Nierenversagen wird Onkel Boonmee von seiner Schwester und seinem Neffen gepflegt. Eines Abends erhalten die drei Besuch von Boonmees vor 19 Jahren verstorbener Frau und seinem verschollenen Sohn, der sich mittlerweile in einen Affen-Geist verwandelt hat. Als Boonmee spürt, dass er dem Tode nahe ist, begibt er sich mit seiner Familie in den Dschungel, um nach den Ursprüngen seiner Existenz zu suchen.





Wer mit dem asiatischen Kino nicht vertraut ist, wird mit Apichatpong Weerasethakuls assoziativer Elegie nicht viel anfangen können. Alles bleibt vage, bedeutungsschwanger. Handlungsstränge reihen sich scheinbar willkürlich aneinander und der Film schlägt stilistische Haken, was Schauspiel, Regieführung und Sound-Design angeht. Das alles ist natürlich gewollt, doch bleibt die Intention dahinter unklar. Der Regisseur selbst beschreibt sein Werk als Hommage an die thailändischen Filme und Serien, mit denen er aufgewachsen ist. Es ist daher kein Wunder, wenn man sich dabei als Europäer außen vor gelassen fühlt. Sei's drum, ich geb's zu: Ich habe den Film nicht verstanden.

Fast schon tröstlich vertraut kommen einem dann um 23:30 Uhr die einleitenden Worte von Woody Allens "You Will Meet A Tall Dark Stranger" vor: "Shakespeare said, life was ‘full of sound and fury, and in the end signifying nothing'". Alles beim Alten also beim Stadtneurotiker mit der dicken Hornbrille: Das Leben ist willkürlich und ohne Sinn - aber nicht ohne Komik.

In "You Will Meet A Tall Dark Stranger" dreht sich wieder einmal alles um verkorkste Liebesbeziehungen: Anthony Hopkins besorgt sich als Mann in der (Post-)Midlife Crisis einen Sportwagen und verlässt seine Frau für eine um vierzig Jahre jüngere Blondine. Josh Brolin und Naomi Watts interessieren sich als Ehepaar längst nicht mehr füreinander, sondern begehren andere: er die aufreizende Nachbarin von gegenüber, sie ihren eleganten Chef.





Thema und Erzählweise sind altbekannt. Allen erfindet sich auch heuer keineswegs neu. Dennoch ist "You Will Meet A Tall Dark Stranger" um ein Vielfaches gelungener als sein letztjähriges Selbstplagiat "Whatever Works". Bis auf Anthony Hopkins, dessen Figur klischeehaft und übertrieben ist, wurden alle Rollen gut besetzt, und Allen inszeniert seinen Film mit leichtfüßiger Routiniertheit. Kein wichtiger Film im Schaffen des produktiven Filmemachers, aber einer der sehenswerteren, die er in den letzten fünfzehn Jahren auf die Leinwand gebracht hat.

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